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Langzügelarbeit – Der Boost für Muskeln und Nervenstärke
Langzügelarbeit – Der Boost für Muskeln und Nervenstärke
Von Tier-Therapie-Zentrum in Allgemeine Tierthemen veröffentlicht 5. April 2022 0 Kommentare

Die Langzügelarbeit wird oft auch als Fahren vom Boden bezeichnet. Der Grund ist recht einfach: es ist wie Kutsche fahren, nur eben ohne Kutsche. Die Nachteile, die eine Kutsche möglicherweise mit sich bringt – wie z.B. das Nach-vorne-lehnen des Pferdes, um mit der Brustmuskulatur zu ziehen – entfallen. Dafür bringt das Fahren vom Boden aber viele Vorteile mit, wenn man es regelmäßig macht.

Für die Langzügelarbeit braucht man natürlich Langzügel, eine Trense und einen Longiergurt, durch den die Langzügel durchgezogen werden. So bleiben sie an der korrekten Stelle. Hilfreich kann auch eine Gerte zum Antippen sein.
Für die erste Trainingseinheit empfehlen wir, eine weitere Person dabei zu haben sowie es auf dem Reitplatz oder in der Halle zu probieren.

Erste Schritte mit den Langzügeln

Auch wenn es auf den ersten Blick kompliziert aussieht, ist die Langzügelarbeit ganz leicht, sobald man es verstanden hat. Die Langzügel kommen auf beiden Seiten durch die Ringe des Longiergurtes (so, dass der Kopf des Pferdes in einer natürlichen Haltung ist) und danach werden diese bei der Trense eingehängt. Man geht dabei hinter dem Pferd – natürlich mit genug Abstand – und gibt per Zügel die gleichen Signale wie man es beim Reiten auch machen würde. Achte darauf, dass du das Pferdemaul leicht spürst, ohne es zu stören. Es gilt, das richtige Maß zu finden: die Zügel eben so zu halten, dass du das Maul leicht spürst, aber nicht im Maul hängst oder permanent Zug bzw. Druck ausübst. Gebisse mit Anzügen sollten vermieden werden.

Mit der Gerte kann man hin und wieder das Pferd leicht antippen, um zum Beispiel die Hinterhand zu aktivieren. Jedoch nur als Hilfsmittel, hauptsächlich wird die Körpersprache verwendet. Lasst euch aber nicht entmutigen wenn der erste Versuch nicht klappt wie geplant! Sowohl ihr, als auch das Pferd müssen sich zuerst daran gewöhnen. Wenn ihr eine Person habt, die euch helfen kann, dann sollte diese am Anfang einfach nur neben dem Pferd gehen, während ihr die Signale gebt und ab und zu ein bisschen mithelfen.

Die Arbeit mit Langzügel hat viele Vorteile, für Reiter und Pferd

Der Reiter lernt, besser mit seiner Körperspannung und – energie zu arbeiten, da er nicht mit den Beinen treiben kann. Man lernt recht gut, die eigenen Schritte mit mehr oder weniger Energie zu setzen und damit klare Signale zu senden. Auch die Zügelarbeit profitiert recht schnell – Zügelhilfen werden mit der Zeit immer präziser und klarer. Du möchtest schneller werden? Dann wird deine Körperhaltung strammer, du setzt die Schritte energischer und “klatschst” leicht mit den Zügeln beidseits ans Pferd. Vor allem: nutze deine Stimme! Über die Langzügelarbeit kann man wunderbar auch Stimmkommandos festigen oder erarbeiten. Wenn du langsamer werden möchtest, nimmst du die Energie raus. Deine Schritte werden sanfter, leichter und du betonst das Ausatmen oder gibst das entsprechende Stimmkommando und reduzierst die Körperspannung. Hol dir das Bild vor Augen, wie dein Pferd langsamer wird. Die Zügel sollten nur leicht angenommen werden.

Langzügelarbeit ist eine tolle Möglichkeit für den Muskelaufbau. Egal ob für Jungpferde oder ältere Pferde – es ist ein gutes Muskeltraining. Zudem stärkt dieses Training auch das Selbstbewusstsein des Pferdes. Junge Pferde lernen, mutig voran zu gehen und dennoch auf den Menschen dahinter zu hören. Das gibt Selbstvertrauen und stärkt die Bindung und das Vertrauen zueinander. Aber natürlich profitieren auch ältere oder ängstliche Pferde davon.

In der Halle, auf dem Platz und im Gelände…

… mit Langzügeln kann man überall arbeiten. Anfangs empfiehlt sich ein geschützter Bereich zum Üben, später kann es dann auch ins Gelände gehen. Im geschützten Bereich helfen Stangen, damit das Pferd die Beine besser hebt und sich gut ausbalanciert. Mit Hütchen/Pylonen kann man sich einen kleinen Parcours aufbauen, um die Zügelführung zu verbessern.

Im Gelände hat man dann oft genug kleinere Hindernisse, die man einbauen kann. So arbeitet man auch an der Gymnastizierung, der Biegsamkeit oder der Koordination.

Training für den Kopf

Ein wichtiger Nebenaspekt ist, dass diese Form des Trainings auch Kopfarbeit darstellt. Die Pferde haben etwas zu tun – deshalb ist das auch super für ältere Pferde, die vielleicht nicht mehr geritten werden können. Jungpferde werden oft deutlich nervenstärker, wenn man regelmäßig mit ihnen im Gelände mit den Langzügeln arbeitet. Anfangs ist es immer empfehlenswert, einen Helfer und vielleicht ein ruhiges Pferd dabei zu haben. Später kann man dann meist auch alleine sehr gut mit ihnen im Gelände mit den Langzügeln arbeiten. Die Pferde müssen dabei mitdenken und sich auf die Signale des Menschen dahinter konzentrieren. Das erfordert ein hohes Maß an Konzentration.

Und auch der Mensch dahinter ist gefordert: man muss rechtzeitig Entscheidungen treffen, wie z.B. in welche Richtung man abbiegen möchte und die entsprechenden Hilfen im richtigen Moment geben.  Man lernt also, sich selbst besser zu koordinieren. Denn genau daran scheitert es doch manchmal bei Pferdemenschen: einen Plan zu haben, was man wann will und diesen klar zu kommunizieren. Auch das Timing verbessert sich bei der regelmäßigen Langzügelarbeit.

Somit ist die Langzügelarbeit ein Boost für Muskeln und Nervenstärke gleichermaßen und die Pferde und auch deren Menschen profitieren enorm davon. Wie immer gilt: Im Zweifelsfall hole dir Unterstützung von jemand Erfahrenem.

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